Panoramamuseum Bad Frankenhausen

Im Gespräch mit Silke Krage.

Oberhalb der Kur-Stadt Bad Frankenhausen im Norden von Thüringen thront weithin sichtbar ein zylindrischer Zweckbau, der Mitte der 1970er Jahre eigens für ein traditionelles Schlachtenpanorama errichtet wurde, das primär und ausschließlich der letzten entscheidenden Schlacht im Deutschen Bauernkrieg am 14./15. Mai 1525 gewidmet sein sollte. Doch Werner Tübke (1929 – 2004), der 1976 den staatlichen Auftrag übernahm, orientierte von Anfang an auf eine rein künstlerische Lösung. Kein Geschichtstempel mit didaktisch illustrativen Vorgaben, sondern »hochqualifizierte Malerei« (Werner Tübke), erreicht durch absolute künstlerische Freiheit, war das Ziel. Nach einem knapp 12-jährigen Schaffensprozess war sein Opus Magnum vollendet, mit dem er Geschichte beschrieb und schrieb – ein epochales Gemälde des Umbruchs vom Spätmittelalter zur Neuzeit, aber auch ein universales, zeitloses Welttheater, in dem auf 1722 Quadratmetern Leinwand Grundthemen der Menschheit die unendliche Wiederkehr des Gleichen versinnbildlichen.

Tübkes „Sixtina des Nordens“, deren Strahlkraft man sich nur schwerlich entziehen kann, zieht Besucherinnen und Besucher in ihren unwiderstehlichen Bann und dies bei jedem Besuch, nicht nur beim ersten.

Bei unserem Besuch in Bad Frankenhausen trafen wir Silke Krage. Wir fragten sie nach ihrer Beziehung zum Panorama Museum, warum es aus ihrer Sicht so besonders ist und warum ihr die Besucherinnen und Besucher in ihrer ganzen Vielfalt so am Herzen liegen.

 

 Silke Krage, Leiterin Museumsmanagement / Fachwissenschaft Im Panorama Museum

 

Frau Krage – wie kommt es, dass wir Sie zum Panorama Museum
in Bad Frankenhausen interviewen dürfen?

 

Ich bin mittlerweile seit über 33 Jahren im Panorama Museum tätig, gehöre quasi zum Inventar. (schmunzelt) Die Belegschaft des „Bauernkriegs-Panoramas“, wie die Einrichtung damals in Kurzfassung hieß, wurde für deren geplante Eröffnung am 14.09.1989 um die Fachabteilung erweitert, also jener KollegInnen, die den BesucherInnen das Monumentalgemälde von Werner Tübke näherbringen sollten. Wir waren ein sehr junges Team, vorwiegend Anfang/Mitte 20, das in unterschiedlich abgeschlossenen Studiengängen u.a. auch Kunstgeschichte belegt hatte. Dass ich einmal nur eine einzige Arbeitsstätte vielleicht bis zum Ruhestand haben werde, konnte ich mir als junge Studentin, die ihr 10. Semester im Panorama absolvierte, nie vorstellen. Doch glücklicherweise haben sich meine Aufgabenfelder in den drei Dekaden von der Wissenschaft über die Öffentlichkeitsarbeit bis zum Management/Fachwissenschaft in wohlproportionierten Abständen geändert, so dass Routine immer wieder aufgebrochen wurde und neue Herausforderungen anstanden. 

 

Panorama Museum mit Vorplatz (im Vordergrund Plastik von Lotta Blokker) ©Panorama Museum 

 

Was gibt es im Panorama Museum zu sehen?

 

Das Panorama Museum ist ein Museum der Bildenden Künste, in dessen Mittelpunkt das Monumentalgemälde „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ von Werner Tübke steht. Ein etwas sperriger Titel, den auch der Künstler, der über 11 Jahre seines Lebens mit der Schöpfung dieses „theatrum mundi“ verbrachte, letztlich nicht mehr hören konnte. Das Gemälde ist außergewöhnlich, nicht nur von der Größe betrachtet – es misst 14 Meter in der Höhe und 123 Meter im Umfang –, sondern auch von der Wirkung. Der Panoramasaal, dessen Innenwand das 360°-Monumentalbild ausfüllt und somit jeden Betrachter vollkommen umgibt, ja quasi aufnimmt, gleicht einem sakralen Raum, bei dessen Betreten man unweigerlich innehält und verstummt. Der Bild-Dom wird zur „Sixtina des Nordens“, einem einzigartigen Ölgemälde auf Leinwand, das nicht nur Kunst- oder Geschichtsinteressierte nach Bad Frankenhausen kommen lässt. Denn das Monumentalgemälde bietet weit mehr als den geschichtlichen Bezug zur Bauernkriegsschlacht vom 15. Mai 1525, mehr als die Widerspiegelung des Epochenübergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit.

 

Was macht es für Besucher attraktiv?

 

Es ist ein universelles, zeitloses Welttheater in historischer Kostümierung, das auf vielen Ebenen Bezüge zu unserer heutigen Zeit zulässt. Wenn unsere tägliche Vermittlungsarbeit, sei es in persönlich betreuten öffentlichen Führungen, speziellen Angeboten für unterschiedliche Zielgruppen oder mittels Audio-Guides, den BesucherInnen dies vermitteln kann, ihnen Augen und Herz öffnet und danach zufriedene Gäste das Museum verlassen, empfehlen sie uns weiter, sei es im familiären Rahmen oder auch darüber hinaus. Mund-zu-Mund-Propaganda, auch über das Internet, ist die beste Werbung. So schrieb eine Rezensentin: „Das Gemälde hat mich eingefangen. Ich hätte am liebsten alleine in diesem Raum noch Stunden verbringen können, um alles aufzusaugen.“ Das individuelle Erlebnis der Begegnung mit dem Monumentalgemälde (mental und intellektuell) ist wirklich schwer in Worte zu fassen, man muss es tatsächlich erlebt haben. Etlichen Gästen reicht auch ein Besuch nicht aus, sie kommen wieder und bringen dann Freunde oder Bekannte mit. Und hier ist das zweite Standbein des Panorama Museums von Bedeutung – die Ausrichtung von Sonderausstellungen, die das Schaffen Werner Tübkes kontextualisieren und in einen kunstgeschichtlichen Zusammenhang einordnen. Jeder Besuch in unserem Museum ist also immer wieder eine „Entdeckung“. 

 

 

Warum und wie engagieren Sie sich für das Thema „Barrierefreiheit“?

 

„Barrierefreiheit“ im Sinne der barrierearmen Erschließung eines Baudenkmals spielt für unser Museum seit der Eröffnung im Jahr 1989 eine wichtige Rolle und wird uns auch sicherlich noch weitere Jahre beschäftigen. Der Museumskomplex, dessen Grundstein bereits 1974 gelegt wurde, besteht aus mehreren Gebäudeteilen, die baulich miteinander verbunden sind. Dem zweigeschossigen Rundbau, in dem sich unten Ausstellungs-, Technik- und Verwaltungsräume sowie oben das Monumentalgemälde befinden, ist ein tiefer gelegenes Eingangsgebäude vorgelagert, dessen begehbares Dach - in Form einer Aussichtsplattform - sich auf Höhe des Bodenbereichs des Rundbaus befindet. Beide Gebäudeteile sind durch einen unterirdischen Verbinderbau mit einer 40-stufigen Treppenanlage verbunden. Zum Panoramasaal selbst führt dann noch eine weitere Treppe mit 37 Stufen. Betritt der Gast also über den Haupteingang das Museum muss er insgesamt 77 Stufen erklimmen, ehe er das Herzstück des Panoramas erreicht hat. Zwar wurde zu DDR-Zeiten ein barrierefreier Eingang mit einem angegliederten Fahrstuhl (maximal 3-4 Personen) gebaut, dieser überbrückt aber nur die 2. Treppenanlage. Hinzu kommt, dass dieser Eingang versteckt von der Hauptzuwegung gelegen und von dieser auch nur über eine Geländesteigung erreichbar ist, was Barrierefreiheit konterkariert. Ein aufwendiges Leitsystem sowie an Wegkreuzungen aufgestellte Orientierungstafeln mit Lageplänen des gesamten Museumsgeländes und dem eingezeichneten Standort des Betrachters haben zu einer Entspannung beim Auffinden des barrierefreien Zugangs geführt. In Anbetracht der jedoch immer älter und trotzdem agiler (Aktivität, Anspruch, Konsumverhalten, Innovationsoffenheit, Genuss) werdenden Gesellschaft, zu der unsere wichtigsten Zielgruppen der „Best und Silver Ager“ gehören, ist die fehlende barrierefreie Verbindung vom Eingangsgebäude zum Rundbau ein großes Manko, das nur durch einen Erweiterungsbau mit einem integrierten Fahrstuhl zu beseitigen wäre. Dies bedarf aber hoher finanzieller Aufwendungen. 

Als Ort der ästhetischen und kulturellen Bildung sehen wir jedoch unsere Aufgabe auch in der barrierefreien Zugänglichkeit der Museumsinhalte.  Dies impliziert Angebote für Menschen mit aber auch ohne Beeinträchtigungen. Für das Monumentalgemälde, das mit über 3.000 Einzelfiguren und ca. 75 Schlüsselszenen ohne Erläuterungen schwer zugänglich ist, haben wir seit knapp 9 Jahren unterschiedliche Audio-Führungen, die im Eintrittspreis inkludiert sind und frei zur Auswahl stehen. Dazu zählen Lang- und Kurzfassungen für Erwachsene in Alltagssprache (in 12 Sprachen), unterschiedliche Kinderführungen, aber auch eine Führung in „Leichte Sprache“, eine Gebärdensprachführung sowie eine Führung für Sehbeeinträchtigung/-behinderung. Museumspädagogische Angebote vor Ort mit unterschiedlichen Zielgruppen (Kindergartenkinder, Schulklassen, Senioren, kognitiv und körperlich Beeinträchtigte) ergänzen das elektronische Angebot. Natürlich haben wir als Museum mit wechselnden Ausstellungen auch die Vision in diesem Bereich inklusive Konzepte zu entwickeln. Auch wenn uns das bis jetzt noch nicht geglückt ist, sehen wir es trotzdem als andauernden Prozess, der natürlich auch ressortübergreifend gedacht werden muss. 

Nicht zu vernachlässigen ist die soziale Zugänglichkeit des Museums, die wir z.B. durch eine gemäßigte Preisstrategie mit vielen inklusiven Leistungen gewähren möchten. Hinzu kommt der freundliche, kompetente und aufmerksame Besucherservice vor Ort, der durch alle MitarbeiterInnen im Öffentlichkeitsbereich geleistet wird. Hier möchte ich wiederum einen Rezensenten zu Wort kommen lassen. „Wir waren mit unserem Säugling dort. Das Personal war sehr freundlich und hat uns samt Kinderwagen den Rollstuhlfahrstuhl benutzen lassen. Unser Kind konnte zwar nicht viel mit der Geschichte anfangen, hat aber die bunte Farbe genossen. Ein derart großes Panorama hab ich noch nie gesehen. Die Geschichte war gut erklärt. Wenn wir wieder mal kommen, höre ich mir gerne noch weitere Audiospuren an. Danke ich komme gern wieder.“

Panorama Museum Bad Frankenhausen - Besucher mit Blick auf die Prophetie des Jeremia © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

 

Warum die „Reisen für Alle-Zertifizierung“ für das Museum?

 

Die gerade aufgeführten Fakten stellen nur einige wenige Beispiele unserer Arbeit in Bezug auf die Barrierefreiheit dar. Wir bemühen uns seit Jahren, die Qualität dieser auf allen Ebenen zu erhöhen und auch entsprechend nach außen zu kommunizieren. Um den Prozess sichtbarer zu machen, haben wir an der „Reisen für Alle“-Zertifizierung teilgenommen. Durch erfahrene ErheberInnen, in unserem Fall war auch eine Rollstuhlfahrerin dabei, erhielten wir nach einer Begehung/-fahrung aller öffentlichkeitsrelevanten Bereiche in direktem Gespräch die detaillierten Fakten zur Barrierefreiheit aber auch wertvolle Hinweise, wie einige Problemstellen behoben werden könnten. Das Online-Schulungsangebot ist außerdem ein sehr gutes, ergänzendes Tool, um MitarbeiterInnen noch mehr für das Thema zu sensibilisieren. Im Ergebnis bekommt man nicht nur die Zertifizierung, die auf bundesweit einheitlichen hohen Qualitätsstandards fußt, sondern auch ausführliche Berichte, die es dem Gast ermöglicht, die Eignung des Angebots für seine Ansprüche eigenständig zu beurteilen. Diese Berichte werden auf der Website „Reisen für Alle“ veröffentlicht, haben aber natürlich auch sofort Eingang in unsere Museumswebsite gefunden. 

 

Ein Erlebnis für Alle

Das Panorama Museum engagiert sich seit Langem für Barrierefreiheit. Neben der stufenlosen Zugänglichkeit des Museums und der Räume wurden aber auch Angebote für Menschen mit Sinneseinschränkungen entwickelt: • Audioguides mit Hörschleife • Multimedia Guides in Deutscher Gebärdensprache • Audioführungen in bildhafter Sprache für Menschen mit Sehbehinderung Übernachtungstipp für Menschen mit Hörbehinderung: Hotel garni Anger 5 in Bad Frankenhausen mit induktiver Höranlage an der Rezeption und einem Zimmer mit sichtbaren Signalen für Alarm oder Anklopfen an der Zimmertür

Bildangaben:
Header: Thomas Zelmer / ZK-Medien | Bild: Porträt Silke Krage / Foto: privat | Slider: Falko Behr und Carlo Bansini / © VK Bild-Kunst, Bonn 2022 | Bild: Besucher/innen mit Blick auf die Prophetie des Jeremia. Foto: Rainer Alexander Gimmel / © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

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